Mit dem VeloSolex im hessischen Ried

Kleine Velosolex-Ausfahrt zum Rhein

Mit dem VeloSoleX...
...zwischen Rhein und Bergstraße

Der Wetterbericht verspricht für diesen Samstag, den 20. September 2003 einen weiteren sonnigen und heißen Spätsommertag. Ein Treffen ist für 11Uhr an der Rheinfähre in Gernsheim vereinbart.
Wir drei, Jutta, Michel und ich, treffen uns um 10Uhr in Eberstadt und los geht es nach Westen, Richtung Gernsheim. Schon beim ersten Stop an einer Apotheke in Pfungstadt werden wir angesprochen. "Werden die Dinger eigentlich noch gebaut? Gibt's die auch gebraucht?" Michel gibt bereitwillig Auskunft. Dann geht es weiter ins Ried auf mäßig befahrener Landstraße, vorbei an staubigen Äckern, abgeernteten und vertrockneten Feldern. Das verblichene Grün der Pappeln, die ersten fallenden Blätter, die ausgebleichten Farben der Landschaft - der Sommer neigt sich seinem Ende zu. Im Rücken und zur Linken liegt die dunstig blasse Silhouette des Odenwaldes.

Im Gernsheimer Hafen verbreitet die Trinkhalle an der Fähre den morbiden Charme von Pommes, Worscht und Kaffee aus Plastiktassen. Das dazugehörige Stammpublikum, bereits um 11Uhr mit Bierglas bewaffnet, babbelt über Gott und die Welt. Bernhard aus Mannheim ist schon da auf seiner gelben Solex 5000 mit den dazu passenden knallgelben Satteltaschen und ebensolchem Helm. (Wir anderen fahren unsere Halbschalen im Rucksack spazieren. Nur für alle Fälle!)

Nach einer kurzen Kaffeepause geht es weiter Richtung Biebesheim auf der B44 um dann bei der ersten Gelegenheit auf eine kleine Straße direkt am Rhein abzubiegen.
Wunderbar sind solche Wege im Ried, von haushohen Pappeln gesäumt, linker Hand der Fluss mit den freiliegenden Kiesbänken, vorbei an wenigen Menschen mit Picknickkörben, Campingstühlen und Badesachen, die sich in der Sonne aalen. Nach dem Zeltplatz der Gemeinde Biebesheim erwartet uns hinter dem Schlagbaum ein kurzes Stück Crosstrecke: eine ungepflasterte, festgetretene Fahrspur im Gras, bei Trockenheit jedoch gut zu bewältigen.

An der Rampe einer ehemaligen Pontonbrücke halten wir direkt am Wasser, überwältigt von den Eindrücken eines spätsommerlichen Urlaubstages: die Sonne, der Sandstrand mit Muscheln, der weite blaue Himmel. Wie sich die kleinen Wellen über den Fluss ausbreiten, wenn ein Schiff vorbeifährt und sich an Sandbank und Ufer kräuseln!
Gleich kommen wir wieder ins Gespräch mit dem Fahrer eines der so selten gewordenen HY Citroenbusse, der dort mit Kind und Kegel rastet. Er bewundert unsere tollen Fahrzeuge und erzählt von den Malaisen des alten Busses.
Eigentlich könnten wir gut dort bleiben und den Tag faulenzend genießen! Diese Atmosphäre von Urlaub hat uns dort schon öfters eingeholt. Wer sich an Kindheitstage am Rhein in den 60-er Jahren erinnert, kann diese Erinnerungen ohne weiteres auch heute, im Jahr 2003, dort wiederbeleben. Abseits vom Trubel der Badeseen erinnert wenig an die Bevölkerungsdichte des Rhein-Main-Gebietes. Noch gibt es Platz, noch ist es ruhig und beschaulich, und das Geräusch des Flusses und des Windes in den Blättern ist stets das Gleiche geblieben.

Aber wir wollten ja Velo fahren! Also starten wir wieder und fahren eine schöne Nebenstraße zu den Biebesheimer Seen und in den Ort hinein. Dort fängt Bernhards Velo an zu stottern und er muss seine Zündkerze reinigen. Zum Glück gleich neben einem Eissalon! In wenigen Minuten ist der Schaden behoben und wir rollen weiter Richtung Allmendfeld.
Unterwegs sehen wir mindestens 10 Störche kreisen. Ob die wohl nach Afrika aufbrechen oder angesichts der Wetterlage doch hier überwintern? Uns auf Karte und unseren Orientierungssinn verlassend, finden wir am Ende des Industriegebietes die kleine, gut befahrbare Feldstraße. Allmendfeld ist ein merkwürdig angelegter Ort, angeblich eines der künstlich errichteten Musterdörfer der Nazis; aber von uns weiß keiner genauer darüber Bescheid. Heute, nach über 60 Jahren, wirken die großzügig verteilten Häuser und Höfe ohne Einzäunungen gar nicht unsympathisch.
Von Allmendfeld geht es weiter auf einer landwirtschaftlichen Plattenstraße zum Erlensee nach Bickenbach. Wir überqueren die Autobahn auf einer der letzten, original erhaltenen Reichsautobahnbrücken.

Wir kommen in ein Schilfgebiet. Dort hat in grauer Vorzeit der Neckar mäandert, bevor er bei Trebur in den Rhein mündete. Unvorstellbar, aber in Vegetation und Landschaft noch zu erkennen. Am Erlensee gibt es noch Badebetrieb, wenn auch sehr geruhsam und ruhig mit nur wenigen Menschen. Der Kiosk hat geöffnet - Gelegenheit, etwas zu trinken bei der Hitze. Ein alter Mann fragt mich auch gleich, ob die Dinger heute noch gebaut würden; früher hätte er so viele davon gesehen. Ich erzähle, dass wir als Jugendliche Mitte der 70-er Jahre immer mit dem Velo zum Baden hierher gekommen sind und heute eher so etwas wie eine "Oldtimerausfahrt" damit machen, was er mit den Worten begrüßt: "Ei, dess iss doch schee. Die sinn doch goldisch!"

Nachdem wir ausgetrunken und uns von der Sonne haben brutzeln lassen, fahren wir Richtung Bergstraße. Munter schnurren die Solexmotoren auf gut ausgebauten Wegen durch Wiesen und Felder, abseits der befahrenen Hauptstraßen. In Zwingenberg stoßen wir auf die B3 und fahren bis Auerbach in die schöne Bachgasse, die ihrem Namen alle Ehre macht. In der "Alten Dorfmühle" gibt es eine Rast und endlich was zu Essen. Es ist eine sehr nette Gaststätte mit einem wirklich originellen Toilettentür-Schließmechanismus. Wer hätte gedacht, dass wir uns Ende September noch in den Schatten flüchten und über die Hitze stöhnen! Bei Weinschorle, Handkäs`, Salät´che und selbstgebackenem Brot lassen wir es uns gut gehen und bedauern alle, die heute nicht dabei sind und diesen wunderbaren Tag verpassen.
Trotz einsetzender nachmittäglicher Trägheit brechen wir wieder auf. In Auerbach trennen sich unsere Wege. Bernhard fährt allein zurück nach Mannheim: tschüss, bis zum nächsten Mal!
Wir drei fahren die alte Bergstraße Richtung Darmstadt und sind viel zu schnell an der Eisdiele in Seeheim.

Eigentlich schade, dass dieser schöne Ausflug schon zu Ende sein soll! Spontan beschließen wir noch den Berg hinauf (Mittreten!) nach Ober-Beerbach zu fahren und tauchen ein in die kühlere, grünere Welt des vorderen Odenwaldes. Vorbei an Apfel- und Walnussbäumen geht es über Nieder-Beerbach, durch´s Mühltal nach Hause. Allmählich macht sich die Sitzfläche bemerkbar, doch beim Resümee auf der Terrasse sind wir uns einig: es war ein toller Ausflug, ein wunderschöner Tag und wir würden es sofort wieder tun!

Kerstin